Klartext von Florian Appel: Der Geschäftsführer der neuen Black Forest Innovation GmbH über die Start-up-Szene am Oberrhein, das Robin-Hood-Prinzip mit Beratung und Begleitung und was man als Tochter Offenburgs der Ortenau voraus hat …
Zum Selbstbild der Ortenau gehört es, sich als starker Wirtschaftsstandort zu sehen. Geringe Arbeitslosigkeit, brummende Betriebe, viele Hidden Champions. Doch so beeindruckend Herrenknecht und Hansgrohe, Burda und Duravit, Meiko und der Europa-Park auch sind – deren Gründung liegt Jahrzehnte zurück. Und was kommt nach? Noch zu wenig, heißt es im Start-up-Atlas des Landes. Und wenn, dann eher in großen Städten als ländlicheren Regionen. Vor diesem Hintergrund haben wir Florian Appel von der neuen Black Forest Innovation GmbH ein paar Fragen gestellt, bei denen er auch mal ins Grübeln kam.
Florian, die Ortenau – oder besser: Offenburg? – hat eine neue Spezialgesellschaft für Wirtschaftsförderung, Wissenstransfer und Start-ups. Wir würden gern wissen: Was sind die wichtigsten Ziele der Black Forest Innovation GmbH?
Wir helfen Start-ups mit innovativen Geschäftsmodellen dabei, dass sie sich gut entwickeln. Gleichzeitig unterstützen wir Unternehmen jeglicher Art bei der Innovationsfindung und -entwicklung. Wir sind national ausgerichtet und beraten Unternehmen jeglicher Art. Auch solche, die eben nicht hier gründen. Dafür arbeiten wir eng mit der Hochschule Offenburg zusammen – etwa in den Bereichen Nachhaltigkeit, Energie, Mobilität.
Warum braucht es so eine Gesellschaft?
Um Start-ups in Offenburg aufzubauen und zu fördern. Wir sind überzeugt, dass so Innovationen in die Region kommen, neue Arbeitsplätze entstehen und Steuern bezahlt werden. Die Unternehmensberatung dagegen ist das Feld, mit dem wir Geld verdienen. Dieses Geld stecken wir wiederum in die Förderung der Start-ups, wodurch wir unsere Leistungen deutlich günstiger anbieten können.
Ihr nehmt von den Großen und gebt den jungen Wilden. Klingt nach dem Robin Hood des digitalen Zeitalters.
So kann man das sagen. Daher spielt es auch keine Rolle, ob wir etablierte Unternehmen aus Kiel oder Konstanz beraten – am Ende unterstützen wir die Start-up-Szene am südlichen Oberrhein, also nicht nur in der Ortenau.
Wie ist diese Gesellschaft ausgestattet? Ist das eine One-Man-Show? Wird das ein Team? Und wenn ja: mit welchem Budget?
Zunächst einmal: Wir sind eine hundertprozentige Tochter des Technologieparks Offenburg, beziehungsweise der mehrheitlich von der Stadt Offenburg gegründeten Stiftung Technologie und Wissenschaft hinter dem TPO, an der auch die Gestalterbank, die Sparkasse, die IHK, die Hochschule Offenburg und andere beteiligt sind.
Das sagt jetzt noch nichts über die Ernsthaftigkeit des Vorhabens aus – zumal es Beratungsfirmen ja wie Sand am Meer gibt.
Wir bauen ein Team auf, das fünf bis sieben Personen umfassen wird. Alles Weitere werden wir sehen. Klar ist aber schon jetzt: Wir arbeiten sehr stark mit externen Partnern oder Trainern zusammen. Wir haben für jedes Innovationsfeld, das wir besetzen, einen High- Level-Trainer, mit dem wir kooperieren. So besetzen wir Themenfelder wie Automation, Energie oder auch New Work.
Woran wollt ihr euren Erfolg messen lassen?
Im Endeffekt geht es um Innovationen. Und die sind schwer messbar. Die große Frage ist: Wie gelingt es uns, Start-ups und innovative Unternehmen nach Offenburg zu holen? Die Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen? Wenn wir mithelfen können, innovative Produkte zu entwickeln, dann ist das für uns ein Erfolg und messbar.
Also geht es um Anzahl und Volumen von Beratungsmandaten?
Nein. Unser Kerngeschäft ist die Start-up-Förderung hier in der Region. Das ist unser Brot-und-Butter-Geschäft. Alles andere ist vielleicht keine Begleiterscheinung, aber eine zusätzliche Aufgabe, um einen Transfer zu schaffen, mit dem die Ideen und Methoden von Start-ups auch in etablierten Unternehmen von Nutzen sind. Konkret geht das so: Die Idee eines Start-ups spielen wir in die Hochschule ein und von dort geht es quasi über Bande wieder in andere Unternehmen. Das Start-up profitiert davon, weil es für seine Idee einen Kunden findet – oder auch einen Investor. Das Unternehmen wiederum bekommt neues, frisches Know-how. Und wir sind dafür eben das Netzwerk, die Schnittstelle.
In den vergangenen Jahren hat man in Sachen Start-ups und Ortenau viele Ankündigungen gehört – aber die richtig große, durchschlagende Erfolgsgeschichte aus dem TPO ist mir nicht präsent. Ist das ein Wahrnehmungsproblem? Zu viel Ungeduld?
Das ist ein Wahrnehmungsproblem. Aber zur Einordnung: startUp.connect findet auf der Event-Ebene statt. Eine Plattform, aus der sich ein Netzwerk bildete. Wo Leute hinkamen, sich kennenlernten, sich austauschten. Mit BFI geht es jetzt darum, stärker inhaltlich zu arbeiten. Wir bauen Start-ups auf. Wenn du mit einer Geschäftsidee zu uns kommst, gehst du mit einem validierten Geschäftsmodell wieder raus und kannst gründen.
Was aber nicht heißt, dass es auch ein Erfolg wird.
Natürlich nicht. Es gibt immer auch Start-ups, die scheitern. Aber auch von den Start-ups der vergangenen Jahre sind einige schon recht erfolgreich unterwegs, haben inzwischen fünf oder zehn Mitarbeiter. Ich finde: Wir sind da auf einem guten Weg.
Du bist seit 2017 in Offenburg. Was hast Du als Gesch.ftsführer des TPO und als Bereichsleiter der WRO nicht erreichen können, was Du jetzt erreichen wirst?
Es braucht den Beratungsansatz und ein anderes Commitment von Seiten der Gesellschafter. Die Stiftung verfolgt mit ihren Gesellschaftern einfach einen anderen, einen unternehmerischeren Ansatz als früher. Dazu gehört auch, dass wir Geld verdienen müssen, vor allem aber, dass wir einen echten Mehrwert bieten. Wichtig dabei ist die Überregionalität und das große Interesse innovative und nachhaltige Unternehmen in Offenburg anzusiedeln.
Aber sind nicht die handelnden Personen bei der Stiftung in Teilen die gleichen wie bei der WRO?
In Teilen ja. Aber die WRO hat mehr als 50 Gesellschafter. Also alle Kommunen der Ortenau. Und bei der Stiftung ist es eben nur eine, nämlich die größte und stärkste. Wir glauben, dass wir in der neuen Konstellation deutlich schneller werden und deutlich mehr erreichen können …
Also ist die BFI einfach eine Offenburger Veranstaltung.
Ja. Der Fokus liegt auf Offenburg. Unser Aktionsradius geht weit darüber hinaus.
Apropos Offenburg: Du hast vom Start weg einen zweiten Hut auf: die Entwicklung von Offenburgs altem Schlachthof. Hat man sich denn inzwischen entschieden, was man will? Irgendwas mit Kreativität? Oder doch ein Businesspark für junge Unternehmer, denen der TPO dann doch zu spießig, zu weit draußen und zu öde ist?
Zunächst mal haben wir da einfach ein Beratungsmandat und beraten die Stadt bei der Neukonzeption des historischen Schlachthofs. Das nennen wir Canvas22. Die Aufteilung des Areals ist jetzt im Gemeinderat vorgestellt worden und damit auf einem guten Weg. Es gibt einen Teil für Start-ups, einen Bereich für Kulturschaffende, einen Bereich für Veranstaltungen oder Meetings und auch das Thema Jugend, Kultur und Gastronomie findet dort Platz
Aber so groß ist doch der Schlachthof gar nicht.
Aber er ist das Herzstück des gesamten Areals. Daher sind dort auch die verschiedenen Nutzergruppen zusammen. Zusätzlich ist es ja so, dass wir das Areal Technologiepark an die Edeka verkauft haben. Als Ersatz für den alten TPO bauen wir jetzt bis Anfang 2026 ein neues, etwa 3500 Quadratmeter großes Gebäude auf dem Schlachthofareal. Mit dem historischen Bau hat das erst mal nichts zu tun, es sind auch zwei verschiedene Bauherren – aber es entstehen Synergien. Zusammen mit dem neuen Bau für Sevdesk entsteht ein Start-up-Campus. Den brauchen wir, denn im alten TPO sind wir einfach rammelvoll. Wir führen sogar eine Warteliste und können Unternehmen derzeit keine Perspektiven bieten, wenn sie wachsen wollen. Aber genau das braucht es: Raum für Erfolg.
Bis wann steht der neue TPO?
Wir haben mit der Edeka vereinbart, dass spätestens am 31.12.2025 alles besenrein übergeben wird. Im Herbst 2025 steht es also.
Und welche Art von Unternehmen dürfen dann dort auf einen Platz hoffen? Oder anders gefragt: Wie definiert ihr Kreativwirtschaft? Ist Sevdesk als Entwickler von Buchhaltungssoftware kreativ?
Sevdesk passt in dieses Umfeld voll rein. Aber vielleicht kein klassisches Maschinenbauunternehmen, sicher kein Nagelstudio und auch kein Steuerberater. Eher setzen wir auf Medienunternehmen oder Filmschaffende.
Ich habe mir neulich den Start-up-Atlas Baden-Württemberg zu Gemüte geführt. Zusammengefasst steht da drin: Die Gründungsintensit.t hat seit 2018 kräftig angezogen – dennoch hinkt Baden-Württemberg anderen Regionen hinterher. Berlin und Hamburg beispielsweise. Woran liegt das?
Wir haben da einfach jahrelang geschlafen. Aber ich bin überzeugt, dass wir jetzt auf einem sehr guten Weg sind. Wenn man Baden-Württemberg als Ganzes anschaut, ist sehr viel passiert, seit Nicole Hoffmeister-Kraut als Wirtschaftsministerin im Amt ist, was sich aber wahrscheinlich in dem Atlas noch nicht niederschlägt. Und du hast natürlich einen Faktor mit großen attraktiven Städten wie Berlin, München, Hamburg, Frankfurt: Die Start-ups gehen dort hin, finden ihr Netzwerk, bauen ihre Unternehmen auf – denn sie wollen in diesen Städten auch leben. Wir müssen auch da aufholen. Denn niemand steht morgens auf und sagt: ‚Mensch, ich gründe jetzt mal ein Unternehmen in Offenburg.‘ Es wäre völlig vermessen, das zu glauben. Auch die Gründer von Sevdesk hatten bereits einen engen Bezug zur Region. Sonst sicher nicht.
Der Start-up-Atlas des Landes Baden-Württemberg beweist, dass sich die Gründungsaktivit.t vor allem auf größere Universitätsstädte konzentriert. In Stuttgart und Karlsruhe gebe es die meisten neuen Unternehmen, dann mit einigem Abstand in Mannheim, Heidelberg und Freiburg. Offenburg oder die Ortenau gibt es auf dieser Karte gar nicht …
… gleichzeitig aber liegen wir dieses Jahr auf Platz 6 oder 8 bei den Start-up-Investitionen in Deutschland – allein durch das 50-Millionen-Invest bei Sevdesk. Das ist auch so eine Statistik, die man fehlinterpretieren kann, und die auch fehlinterpretiert wird. Aber ich will noch etwas anderes ergänzen, einen wichtigen Punkt: Wir haben einige Start-ups, die Hardware herstellen und im Maschinenbau, im B2B-Bereich unterwegs sind. Das ist natürlich erstens kapitalintensiver und zweitens langwieriger. Die Berliner Start-up-Szene ist dagegen sehr stark im B2C-Bereich unterwegs. Das ist einfach ein schneller wachsendes Geschäft. Klar brauche ich da auch Kapital, um zu wachsen, aber es sind andere Modelle.
Ist die neue Black Forest Innovation also eine Offenburger Reaktion darauf, dass man jahrelang geschlafen hat? In der WRO gibt es die unterschiedlichsten Interessen der verschiedensten Kommunen und Bürgermeister, die man unter einen Hut bringen muss – vielleicht vergleichbar mit der EU, wo es auch schwierig ist, gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
Dein Beispiel mit der EU ist gar nicht schlecht. Vor der Osterweiterung war die Konsensfindung natürlich auch leichter. Aber man darf nicht vergessen, dass die Stadt Offenburg weiterhin der größte Beitragszahler der WRO ist. Daran hat sich durch die BFI nichts geändert. Und das Accelerator Programm der BFI wird beispielsweise durch startUp.connect mit vermarktet. Also: Es ist keine Konkurrenzveranstaltung zu startUp.connect und zur WRO. Aber wir sind durch die enge Kooperation mit der Hochschule und Steinbeis einfach inhaltlich stärker unterwegs, zur Stärkung des Innovationsstandorts Offenburg.
Ein Interview von Ulf Tietge